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Montag, 10. November 2014

Die alte Weide

Direkt am Aufgang zu unserer Wohnung steht eine alte, sehr hohe Weide. Dass es dem alten Baum nicht besonders gut geht, wissen wir schon seit dem Einzug. Aber wir konnten uns nicht überwinden, ihn zurückzuschneiden. So hat er noch im Frühling letzten Jahres ausgesehen:


Aber was sein muss ...
Den dicken, morschen Ast rechts und die dickeren Äste in der mittleren Etage haben wir jetzt weggeschnitten und die Schnittstellen versorgt. Ein trauriger Anblick.


Für den morschen Ast war es aber wirklich höchste Zeit.



Doch wahrscheinlich müssen wir auch die hohe Krone zurücksetzen. Dafür brauchen wir aber einen Profi; denn der Baum ist wirklich riesig und sturmgefährdet. Und egal, wohin die Krone bei einem Sturm stürzt, auf unser Dach oder in das wilde Waldgrundstück nebenan - entweder gibt es Ärger mit dem Besitzer des Wäldchens oder wir müssen das Dach reparieren. Wieder einmal. Also werden wir unserer Weide wahrscheinlich in absehbarer Zeit einen schicken Bubikopf verpassen.


Mir hat der Anfall an Schnittgut auch dieses Mal schon genügt. Weidenzweige - brusthoch auf der Terrasse:




Und trotzdem mochte ich diese Fülle an Rohstoffen nicht einfach durch den Schredder jagen und auf dem Kompost entsorgen. Das erschien mir - lacht mich nicht aus - respektlos gegenüber dem alten Baum. Also haben wir, habe ich "verarbeitet".
Von den Ästen mittlerer Dicke haben wir einen Teil gleich geschnitten und aufgeschichtet. Ich mag es, wie sich die verschiedenen Holzarten auch farblich unterscheiden.


Auch etliche Knoten (Dutzende!) aus Weidenzweigen habe ich zum Trocknen aufgehängt. Nächstes Jahr werden sie zur Hälfte in flüssiges Wachs getaucht - schnelle Kaminanzünder.


Und als Korbflechterin habe ich mich auch versucht. Ich wollte schon immer einmal mit einfachem Gartenschnitt flechten. Bisher habe ich nur einige Male mit gekauften und gewässerten Weiden geflochten, z.B. dieses Blatt:


Also habe ich mir vom Weidenschnitt eine Menge der dünnen und biegsamen Zweige aufgehoben und mich heute daran gemacht einen Holzkorb zu flechten. Einen Schönheitspreis wird er wohl nicht gewinnen, das ist sicher. Aber ich bin ganz zufrieden mit dem, äh, etwas rustikalen Ergebnis. Er soll ja auch nur das Holz neben der Feuerstelle zusammenhalten.


So ungewässert sind die Weidenzweige recht spröde. Bei den scharfen Knicken am Rand sind viele gebrochen. Und beim Griff musste ich schummeln. Auch mit den dünnsten Trieben konnte ich ihn nicht umflechten. So habe ich einfach Sisalschnur genommen.


Ein paar besonders saftige Zweige habe ich mir auch noch zur Seite gelegt. Die werde ich schälen und die Rinde trocknen für Weidenrindentee.
So war ich heute Abend ganz zufrieden mit mir, auf eine wohl etwas archaische Weise (archaisch - passt perfekt zu dir): Nützliche Dinge geerntet, hergestellt, eingelagert und somit vorgesorgt für schlechtere und gute Tage. Dazu dann am Feuer gesessen und Gedanken gesponnen. Das haben schon die Altvorderen in der Steinzeit so gemacht.
Feuervögel ...


... oder Engel?


Nein, eine Hand, die eine Flamme hält.


Was für ein befriedigender Tag! Und mit so einfachen Dingen erreicht.

miscellanea
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